Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Juni 2018 angekündigt, Transsexualität und andere Diagnosen in Zusammenhang mit Trans*Identitäten aus dem Katalog der psychischen Krankheiten zu streichen. Daraufhin hat die Grüne Bundestagsfraktion die Bundesregierung zu den Auswirkungen dieser Entscheidung auf das Transsexuellengesetz in Deutschland befragt. Die Antwort der Kleinen Anfrage liegt nun vor (siehe Anhang).
Dazu erklärt Sven Lehmann, Sprecher für Queerpolitik der Grünen im Deutschen Bundestag:
„Die Bundesregierung kann die Frage nicht beantworten, warum weiterhin ärztliche Gutachten verlangt werden, um den eigenen Geschlechtseintrag beim Personenstand zu ändern. Das kann man auch nicht erklären, denn über sein Geschlecht kann nur eine Person bestimmen und Auskunft geben. Das ist jeder Mensch selber.
Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung einer „Dritten Option“ beim Geschlechtseintrag schreibt die Bevormundung und Pathologisierung von intergeschlechtlichen Menschen leider weiter fort. Wenn die Bundesregierung nun ankündigt, diese Verfahren auf transgeschlechtliche Menschen zu übertragen, ist das inakzeptabel.
Die Bundesregierung muss die Entscheidung der WHO zum Anlass nehmen, das Transsexuellengesetz abzuschaffen und durch ein Gesetz zur Selbstbestimmung und Anerkennung der Geschlechtervielfalt zu ersetzen. Andere europäische Länder wie Schweden, Dänemark oder Irland zeigen, dass dies ohne Probleme geht. Die Regierung darf damit nicht bis 2022 warten, denn das Transsexuellengesetz ist schon jetzt nicht mehr im Einklang mit den Normen der WHO und verursacht unnötiges Leid. Bisher werden transgeschlechtliche Menschen in Deutschland gezwungen, sich als psychisch krank diagnostizieren zu lassen, um ihren Personenstand zu ändern. Das ist aber eine freie und selbstbestimmte Entscheidung. Wir brauchen einfache Verfahren zur Änderung des Personenstandes und Vornamens, ohne psychologische Zwangsgutachten.
Der Entschluss der WHO vom Juni ist ein Meilenstein für die Menschenrechte. Transsexuelle und transgeschlechtliche Personen sind nicht krank. Sie haben ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Es ist also längst überfällig, dass die WHO dies auch in ihrem Katalog der psychischen Krankheiten berücksichtigt. Die Ankündigung ist ein wichtiger Beitrag zur psychischen Gesundheit. Leider hat die WHO gleichzeitig eine Diagnose für Trans*Kinder vor der Pubertät eingeführt. Das kritisieren wir scharf, denn Kinder brauchen keine aufgezwungenen diagnostischen Prozesse, sondern ein akzeptierendes Umfeld, das sie in ihrem So-Sein annimmt und stärkt.“